Wilhelm Teuwen zum 100. Geburtstag

26. April 2008 - 24. August 2008


Aus Anlass des 100. Geburtstages von Wilhelm Teuwen (1908 Anrath - 1967 Köln) zeigt das Deutsche Glasmalerei-Museum Linnich einen Querschnitt durch das Lebenswerk des Künstlers anhand von zahlreichen Glasfenstern, Entwurfskartons, Gemälden und Druckgrafik. Wilhelm Teuwen gehört zu den bedeutenden Künstlern im Rheinland, durch welche die Glasmalerei im 20. Jahrhundert mit neuen Gestaltungsideen bereichert wurde. Teuwen entwickelte eine ausdrucksstarke Sprache auf der Basis von Zeichen und Symbolen.

Während seiner Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Krefeld macht Wilhelm Teuwen 1923 die Bekanntschaft mit Johan Thorn Prikker, der im Kaiser-Wilhelm-Museum Wandmalereien realisiert. Thorn Prikker hatte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Aufsehen erregenden Glasgemälden den Ruf als Revolutionär und Wegbereiter moderner Glasmalerei erworben. Rückblickend beschreibt Teuwen die Begegnung mit Johan Thorn Prikker als wichtigen Impuls, sich der angewandten Kunst zuzuwenden. Gegen Ende der 1920er Jahre ist zunächst der Holzschnitt für Teuwen ein wichtiges Medium; es entstehen zahlreiche Grafiken in einer expressionistisch-neusachlichen Formensprache. Der geübte Umgang mit dem Spannungsverhältnis von Linie und Fläche, den der Künstler sich bei seinen Holzschnitten erwarb, mag darüber hinaus den Weg zur Glasmalerei begünstigt haben.

1929 beginnt Wilhelm Teuwen ein fünfjähriges Studium an der Staatlichen Düsseldorfer Kunstakademie. Er besucht die von Heinrich Campendonk geleitete Klasse für dekorative Kunst und wird dessen Meisterschüler. Nach der Entlassung Campendonks durch die Nationalsozialisten 1933 wechselt Teuwen für ein weiteres Jahr in die Klasse von Heinrich Nauen. Campendonk als auch Nauen – beide ehemalige Schüler Thorn Prikkers – hatten durch ihre Lehrtätigkeit maßgeblichen Anteil an der Verbreitung der modernen Tendenzen in der Glasmalerei. Auch durch die Assistenz Teuwens bei der Herstellung von Campendonkschen Glasfenstern rückt die Glasmalerei immer mehr in den Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses. 1932/33 realisiert Teuwen sein erstes größeres Glasgemälde, das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
in der Hohen Mühle in Uedem. Die frühen Glasmalereien des Künstlers zeichnen sich – noch ganz in Anlehnung an die musivische Glasmalerei seiner Vorbilder Thorn Prikker und Campendonk – durch eine geometrisch-konstruktive Komposition aus, die vor allem durch die Bleirutenzeichnung getragen wird. Exemplarisch zeigt die Ausstellung die beiden herausragenden Glasgemälde Drei sitzende Frauen und Menschenpaar , beide Anfang der 1930er Jahre entstanden. Eine Reihe von sakralen Glasmalereien entstehen 1937 u.a. für die Dorfkirche St. Remigius in Wittlaer und für die Vennheider Kapelle zum Heiligen Kreuz. Hier wird bereits Teuwens Suche nach einer eigenen Symbolsprache offenbar.

Im November 1946 wird Wilhelm Teuwen an die Kölner Werkschulen berufen, wo er in der Nachfolge von Johan Thorn Prikker bis 1967 die Klasse für Glasmalerei leitet. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg realisiert Teuwen zahlreiche Aufträge für Notverglasungen zerstörter Fenster in rheinischen Sakral- und Profanbauten. In der von Geldknappheit geprägten Nachkriegszeit
gelingt es ihm selbst mit einfachsten Mitteln zu überzeugenden künstlerischen Lösungen zu kommen. So entwirft er Ende der 1940er Jahre bemerkenswerte Ornamentfenster u.a. für den Kölner Dom und St. Gereon. Teuwen entdeckt in dieser Zeit den künstlerischen Reiz von Industrieglas. Gerilltes Linienglas beispielsweise, welches besondere Lichtbrechungen hervorruft, verwendet der Künstler u.a. bei den Treppenhausfenstern für das Ständehaus in Düsseldorf. Stets ist er auf der Suche nach dem Optimum der formal-technischen Lösung für eine künstlerische Fragestellung.

Als Mitglied der Neuen Rheinischen Sezession wendet sich Wilhelm Teuwen Anfang der 1950er Jahren wieder verstärkt der freien Malerei und dem Holzschnitt zu, wobei sich ein stilistischer Wandel vollzieht. Der linear-konstruktive Bildaufbau rückt in den Hintergrund zugunsten einer räumlich-illusionistischen und atmosphärisch verdichteten Darstellung, wie sie u.a. im Ölgemälde Mann mit Lot (1951) zum Ausdruck kommt. Der Künstler verarbeitet Impulse der zeitgenössischen Malerei, wie etwa von Max Ernst und Fernand Léger zu eigenständigen Lösungen.

Auch in seiner Glaskunst gewinnt die Malerei nach den Prinzipien der Tafelmalerei in nuancierten Farbtönen und plastischen Volumen immer mehr an Einfluss. Teuwen sieht darin eine weitere Möglichkeit der differenzierten Darstellung unabhängig von der Bleirute. Bei den Kryptafenstern für die Kölner Kirche St. Gereon (1956) rückt der Künstler erstmals von der rein musivischen Glasmalerei-Technik seiner frühen Vorbilder Thorn Prikker und Campendonk ab.

Inhaltlich beschäftigt sich Wilhelm Teuwen – stets um Konzentration und Reduktion der Darstellung auf das Wesentliche bemüht – intensiv mit der christlichen Symbolik, der er seine eigenen Symbol-Erfindungen hinzufügt. Ein häufiges Motiv in seinen Ornamentfenstern ist u.a. das zumeist in satten Herbstfarben kolorierte fallende Baumblatt als Synonym für die Endlichkeit menschlichen Lebens. Teuwen verwendet das Motiv sowohl an Fenstern im Profanbau, wie im Kölner Gürzenich (1954/55), als auch in mehreren Sakralbauten, wie beispielsweise in St. Stephanus in Bürvenich (1955) und im Kölner Dom (1960er Jahre).

Formal-stilistisch bedeutend ist für Wilhelm Teuwen die Auseinandersetzung mit der Malerei der Hochrenaissance, die sich ihm ab Mitte der 1950er Jahre während zahlreicher Italienaufenthalte erschließt. Vor allem die Monumentalität und Dynamik der manierierten Formensprache Michelangelos sind ihm eine künstlerische Offenbarung. Dies kommt auch in den zahlreichen Entwürfen der in filigranen Linien gezeichneten, raumgreifenden Figuren der prophetischen Sybillen zum Ausdruck, die Teuwen in gedeckten Farbtönen für den Kölner Dom gestaltet. 1957 erhielt der Glasmaler den Auftrag zur Gestaltung des großen Nordfensters im Querhaus des Kölner Doms mit Szenen aus dem Alten Testament, das er bis zu seinem Tod nur in Teilen fertig stellen kann. Im monumentalen Fenstergefüge treten besonders die Symbolfenster in plakativ klaren Farben leuchtend hervor, wie beispielsweise das Vlies Gideon , die Kleine Wolke des Elias oder der Kopf im Dreiviertelprofil mit Ei.

Wilhelm Teuwen hat die Glasmalerei des 20. Jahrhunderts mit seinen eigenständigen Bildschöpfungen – die aus der Spannung von strenger Reduktion der Form einerseits und anmutiger malerischer Fülle andererseits leben – auf einzigartige Weise bereichert. Als Künstler wie als Lehrender übte Teuwen einen großen stilbildenden Einfluss auf nachkommende Generationen aus.

Die Ausstellung wurde realisiert in Zusammenarbeit mit dem Clemens-Sels-Museum in Neuss, dem Historischen Archiv der Stadt Köln, der Glasmalereiwerkstatt Hein Derix in Kevelaer, der Glasmalereiwerkstatt Wilhelm Derix in Düsseldorf, der Kirchengemeinde St. Maria unter dem Kreuze Düsseldorf sowie mit privaten Leihgebern.