JUNGE REBELLEN - POLKE, RICHTER & FRIENDSExperimentelle Avantgarde im Spannungsfeld von Glaskunst, Malerei und Fotografie / verlängert bis 8. September 2024

29. Oktober 2023 - 8. September 2024
Eröffnung am Sonntag, 29. Oktober 2023 11:30:00 Uhr


JUNGE REBELLEN – POLKE, RICHTER & FRIENDS

Vom 29. Oktober 2023 bis 07. Juli 2024 zeigt das Deutsche Glasmalerei-Museum Linnich (DGML) die Sonderausstellung „JUNGE REBELLEN – POLKE, RICHTER & FRIENDS Experimentelle Avantgarde im Spannungsfeld von Glaskunst, Malerei und Fotografie“.
Als glasmalerische Schwerpunkte zeigt die Ausstellung eine bisher nie öffentlich präsentierte Fenster-Tür-Kombination von Sigmar Polke, und von Gerhard Richter eine bis heute nie dokumentierten Auswahl seiner Entwürfe für das Fenster im Südquerhaus des Kölner Doms zusammen mit dem Original-Probefenster.

Ausgehend von der Frage nach den glasmalerischen Schwerpunkten von Polke und Richter begab sich das Museum auf eine spannende Recherche nach den Gemeinsamkeiten und Ursprüngen der Ausnahmekünstler.

Schätze

Diese Schätze in der Ausstellung haben ihre eigenen, ganz individuellen Geschichten: Nachdem im Archiv des Museums eine Fenster-Tür-Kombination von Sigmar Polke lange auf ihre Präsentation gewartet hatte, fand sich bei den Recherchen zur Ausstellung ein würdiges Pendant: Die Entwürfe und Original-Probefenster von Gerhard Richter für seine berühmten Fenster im Südquerhaus des Kölner Doms lagerten fast vergessen in einem der Türme des ehrwürdigen Doms. Auf den Spuren des glasmalerischen Werkes von Richter führten Frau Dr. Katrin Wittstadt (Wissenschaftliche Leiterin der Glasrestaurierungswerkstatt der Kölner Dombauhütte), Dr. Ulrike Brinkmann (Leiterin der Glasmalereiwerkstatt der Kölner Dombauhütte) und der Kunsthistoriker Felix Busse die Linnicher Museumsleiterin Luzia Schlösser hoch hinauf in die verwinkelten Ecken des Archivs im Kölner Dom.

Beide Werke sind glasmalerische Erstlingswerke. Und wie ein Alpha und Omega beendete Sigmar Polke sein Lebenswerk 2009 mit der Gestaltung von sieben Achat- und fünf Farbglasfenstern im Grossmünster in Zürich. Für seine Fenster im Grossmünster verzichtete Sigmar Polke auf sein Honorar, übrigens ebenso wie Gerhard Richter bei der Gestaltung der Fenster des Kölner Doms. Es sind Geschenke der Künstler an die Öffentlichkeit. Die Fenster im Großmünster in Zürich und im Kölner Dom zeugen von einer tiefgründigen, inneren Auseinandersetzung mit religiösen Themen - jeder auf seine eigene, individuelle und immer auch kritische Weise und mit der ganz eigenen künstlerischen Formensprache.

Die Glasfenster, die das DGML ab Ende Oktober zeigt, sind Beispiele für den herausragenden künstlerischen Umgang mit Licht und Material. Aber auch für den innovativen Geist und den Mut der Ausnahmekünstler: Für die Umsetzung beider Fenster wurden spezielle handwerkliche Techniken ganz neu erfunden: für das Richterfenster verwandte man erstmals statt der Bleirute eine neu entwickelte Silikonverfugung und Sigmar Polke setzte mit der Achatverglasung völlig neue Materialien ein, die höchste und ganz neue Ansprüche an die technische Umsetzung verlangten.

Aber es gibt mehr, was die beiden Künstler der deutschen Kunstavantgarde verbindet:

Wie alles begann

In den frühen 1960iger Jahren lernten sich Sigmar Polke und Gerhard Richter im Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie in der Klasse von Karl Otto Götz kennen. 1963 schlossen sie sich mit ihren Studienkollegen Manfred Kuttner und Konrad Lueg, auch bekannt als Konrad Fischer, zusammen und stellten ihre Werke außerhalb des etablierten Kunstbetriebes aus, da ihnen dessen Türen damals wegen ihrer neuen, experimentellen Formen der Kunst und ersten Performances und Happenings verschlossen blieben.

In diesen frühen Jahren der künstlerischen Entwicklung zeigt sich bereits der rote Faden der Künstlerkarrieren: Mut zum Experiment und ein rebellischer, innovativer Geist. Die Ausstellung im Deutschen Glasmalerei-Museum zeigt mit Fotos und Werken die gemeinsamen Anfänge der vier Ausnahmekünstler und dokumentiert ihre individuellen Entwicklungsprozesse. Dabei werden die pluralen Verbindungen von Glasmalerei, Fotografie und Malerei veranschaulicht und herausgearbeitet. Schirmherrin der Ausstellung ist Sabine Verheyen, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung im Europäischen Parlament.

Vier Männer - Vier Frauen
Der Blick in die Zukunft

Sigmar Polke, Gerhard Richter, Manfred Kuttner und Konrad Lueg werden mit ihrer Kritik an der Gesellschaft zu Wegbereitern für die künstlerische Freiheit der Kunst in Deutschland und zu Vorbildern für Künstler und Künstlerinnen der Gegenwart. Ganz im Sinne dieser vier international etablierten Künstler stellt das DGML ihnen in der Sonderausstellung junge innovative Künstlerinnen an die Seite. Vier Frauen, inspiriert von den vier Rebellen von damals: Laura Aberham, Undine Bandelin, Wanda Koller und Katja Mölich, mit Werken der Glaskunst, der Malerei sowie Installationen und Collagen. Eine spannende Korrelation, die den roten Faden „Rebellion, Mut und Innovation“ in die Zukunft trägt.

Friends
Karl Horst Hödicke

Stellvertretend für weitere „Friends“ der Vierergruppe Polke, Richter, Kuttner und Lueg und als Protagonist für die Bedeutung der Aufbruchsstimmung in der Kunstszene der frühen 60iger Jahre präsentiert die Ausstellung den Künstler Karl Horst Hödicke und sein berühmtes Werk „Die Krone des Geschmacks“ von 1964. Der große Künstler verstarb am 08.02.2024 im Kreise seiner Familie in Berlin. Das Deutsche Glasmalerei-Museum hält sein künstlerisches Erbe in besonderen Ehren.

Der Wahlberliner Hödicke, der auch „Vater der Jungen Wilden“ genannt wurde, gilt heute gemeinsam mit Georg Baselitz, Jörg Immendorf, Markus Lüpertz, Bernd Koberlin, A.R. Penck, Helmut Middendorf, Elvira Bach, Ina Barfuß oder Salomé als einer der Vorreiter des deutschen Neoexpressionismus und der Neuen Figuration. Hödickes Werke werden national und international in bedeutenden Kunstausstellungen gezeigt.

Rückblick auf die Eröffnung

Am Sonntag, 29. Oktober 2023 eröffnete das Deutsche Glasmalerei-Museum die neue Sonderausstellung „JUNGE REBELLEN - POLKE, RICHTER & FRIENDS. Experimentelle Avantgarde im Spannungsfeld von Glaskunst, Malerei und Fotografie“.

Als glasmalerische Schwerpunkte zeigt die Ausstellung eine bisher nie öffentlich präsentierte Fenster-Tür-Kombination von Sigmar Polke sowie Probescheiben für sein letztes großes Werk, den Fensterzyklus im Grossmünster in Zürich. Von Gerhard Richter sind erstmalig Probescheiben für das Südquerhausfenster im Kölner Dom in verschiedenen Glasmalerei-Techniken öffentlich zu sehen. Als Sigmar Polke und Gerhard Richter in den 1960er Jahren gemeinsam mit Konrad Lueg (Fischer) und Manfred Kuttner an der Düsseldorfer Kunstakademie studierten und noch weitgehend unbekannt waren, galten ihre experimentellen Arbeiten als zu ungewöhnlich, um von etablierten Galerien oder Museen ausgestellt zu werden. Sie taten sich zusammen, um ihre künstlerischen Ideen zu präsentieren und stellten Ihre Werke u.a. in einem Möbelhaus oder in einer Gartenanlage unter freiem Himmel aus. Sie werden zu Wegbereitern für die künstlerische Freiheit in Deutschland und zu Vorbildern für Künstler und Künstlerinnen der Gegenwart. So stellt das Deutsche Glasmalerei-Museum den vier international etablierten Künstlern vier innovative Künstlerinnen der Gegenwart an die Seite: Laura Aberham, Undine Bandelin, Wanda Koller und Katja Mölich. Eine spannende Korrelation, die den roten Faden „Rebellion, Mut und Innovation“ in die Zukunft trägt.

Rund 350 Gäste nahmen an der Eröffnungsfeier statt. Marion Schunck-Zenker, Bürgermeisterin der Stadt Linnich und Landrat Wolfgang Spelthahn begrüßten die Anwesenden und betonten ihre Freude darüber, dass eine solch hochkarätige Ausstellung mit international bekannten Künstlern in Linnich präsentiert wird. Sabine Verheyen, Schirmherrin der Ausstellung und Mitglied des Europa-Parlaments (u. a. Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung) würdigte die Bedeutung von Kunst und Kultur. Sie hob hervor, das sie einen großen Teil der Identität einer Gesellschaft widerspiegeln und ein bedeutender Faktor für das Zusammenleben darstellen. Kunst und Kultur brauche „Junge Rebellen“ deren Mut und Innovation es zu fördern gilt.
Einen persönlichen Einblick in das Schaffen ihres Vaters Sigmar Polke gewährte Anna Polke, Gründerin der Anna Polke-Stiftung. Prof. Dr. Barbara Schock Werner, ehemalige Dombaumeisterin in Köln, berichtete über die Entstehungsgeschichte des Südquerhausfensters im Kölner Dom, das Gerhard Richter auf ihre Anregung hin entwarf. Museumsdirektorin Luzia Schlösser gab eine Einführung in das Konzept der Ausstellung und würdigte alle Künstler und Künstlerinnen und ihr Werk. Musikalisch begleitet wurde die Eröffnung von Ulugbek Palvanov und Gena Lakisov.

Das Deutsche Glasmalerei-Museum bedankt sich für das zahlreiche Erscheinen und die schöne Atmosphäre beim anschließenden Come together in der Ausstellung. Die Ausstellung „JUNGE REBELLEN – POLKE, RICHTER & FRIENDS“ wird bis zum 7. Juli 2024 dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr zu besichtigen sein.

v.l.n.r.: Jakob Waldhausen (Geschäftsführung DGML), Dr. Eberhard Peill (Vorstand F. Victor Rolff-Stiftung), Wolfgang Spelthahn (Landrat Kreis Düren), Marion Schunck-Zenker (Bürgermeisterin Stadt Linnich), Dorothée Coßmann (Geschäftsführerin Sparkassen Kulturstiftung-Rheinland), Anna Polke (Anna Polke-Stiftung), Undine Bandelin (teilnehmende Künstlerin), Laura Aberham (teilnehmende Künstlerin), Dr. Gregor Broschinski (Vorstand Sparkasse Düren), Prof. Dr. Barbara Schock-Werner (ehem. Dombaumeisterin Köln), Sabine Verheyen (Schirmherrin der Ausstellung und Mitglied des EU-Parlaments), Luzia Schlösser (Museumsdirektorin), Dr. Patricia Peill (NRW-Landtagsabgeordnete), Stefan Ast (Geschäftsführer NRW-Stiftung), Carlo Aretz (Geschäftsführung DGML).

Foto: DGML/Susanne Lang
Werke von Sigmar Polke: © The Estate of Sigmar Polke, Cologne/VG Bild-Kunst, Bonn 2023


Rückblick auf das Symposium "TIME TO TALK - JUNGE REBELLEN im FOKUS"

Programm:
Impulsvortrag: Marcus Weber, Künstler, Berlin

Talkrunde
Moderation: Mirna Funk, Journalistin und Autorin, Berlin
Gäste: Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, Dombaumeisterin a.D.
Günter Hettinger (arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Restaurator in der Dombauhütte Köln)
Anna Polke, Tochter von Sigmar Polke
Urs Rickenbach (einer der führenden Glasmalerei-Experten in der Schweiz. Hauptberuflich leitet er die renommierte Glasmalerei-Abteilung von Glas Mäder Rüschlikon; er begleitete die Umsetzung der „Polke Fenster“ im Grossmünster in Zürich),
Tobias Kuttner, Sohn von Manfred Kuttner
Dr. Barbara Hess, Kunsthistorikerin und Autorin, Köln (Publikationen zu Konrad Lueg/Fischer)
Renato Santarossa als Zeitzeuge
Laura Aberham und Undine Bandelin stellvertretend für die vier jungen Künstlerinnen der Ausstellung.

Am Samstag, 27. April fand im Deutschen Glasmalerei-Museum das Symposium "TIME TO TALK - JUNGE REBELLEN IM FOKUS" statt. Ausgehend von der Sonderausstellung "POLKE, RICHTER & FRIENDS", die noch bis zum 8. September 2024 zu sehen ist, wurde den rund 90 Gästen ein hochkarätiges Programm geboten. Museumsdirektorin Luzia Schlösser begrüßte zu Beginn der Veranstaltung die Gäste, Redner und Unterstützer.

Der in Berlin lebende Künstler Marcus Weber hielt einen Impulsvortrag zu den Kunstströmungen der 1960er Jahre und verortete darin die Arbeit von Manfred Kuttner, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Gerhard Richter. Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf die "Wiederentdeckung" der Kunst von Manfred Kuttner, die bis heute zeitlos modern erscheint und viele junge Künstler*innen inspiriert.
Die ehemalige Dombaumeisterin Prof. Dr. Barbara Schock-Werner berichtete über den ereignisreichen Prozess der Entstehung des "Richter-Fensters" für den Kölner Dom und gewährte besondere Einblicke in diese spannende Zeit. Von der ersten Idee über die Herstellung bis hin zur fertigen Glasmalerei stand Schock-Werner mit Gerhard Richter im Dialog.

Nach der Pause leitete die in Berlin lebende Moderatorin, Kolumnistin und Schriftstellerin Mirna Funk die Talkrunde bestehend aus Wegbegleitern und Familienmitgliedern der Jungen Rebellen, sowie zwei der beteiligten jungen Künstlerinnen und Kunstexperten*innen. Günter Hettinger, ehem. Glasrestaurator in der Dombauhütte Köln und Urs Rickenbach, Leiter der Glasmalerei-Abteilung von Glas Mäder im schweizerischen Rüschlikon berichteten von den Arbeitsprozessen und Herausforderungen der Umsetzung der Visionen für und mit Gerhard Richter und Sigmar Polke. Anna Polke, Tochter von Sigmar Polke und Gründerin der Anna-Polke Stiftung, ermöglichte private Einblicke auf Polke als Künstler, aber auch als Vater. Auch Tobias Kuttner, Sohn von Manfred Kuttner und Kunsthistoriker sprach vom Familienleben und darüber wie die Kunst seines Vaters die Generationen bis heute begeistert. Kunsthistorikerin Dr. Barbara Hess intensivierte den Blick auf Konrad Fischer, der sich als Maler Konrad Lueg nannte und später als erfolgreicher Galerist wieder den Namen Fischer nutze. Der italienische Glaskünstler Renato Santarossa war als Zeitzeuge in der Gastrunde und berichtete von der mit Sigmar Polke geteilten Sammelleidenschaft von Kunstgegenständen aus Indonesien und China sowie Musikinstrumenten. Santarossa erzählte vom gemeinsamen Boule-Spiel in Düsseldorf mit Konrad Fischer, Blinky Palermo und dem Galeristen Alfred Schmela. Laura Aberham und Undine Bandelin, beide in der Ausstellung "JUNGE REBELLEN" mit ihren Werken vertreten, repräsentierten die zeitgenössischen Tendenzen in der Ausstellung. Aberham betonte, dass ihre Arbeit nicht direkt von den berühmten Vorbildern inspiriert sei, aber dass die rebellische Avantgarde der 60er Jahre definitiv die künstlerischen Möglichkeiten, die ihr heute gegeben sind, vorbereitet haben. Undine Bandelin, die von der Malerei auf Leinwand durch ein Projekt zu zeitgenössischen Fenstern in historischen Kirchen der ev. Landeskirche Anhalts zur Glasmalerei kam, berichtete von den Unterschieden der Arbeitsprozesse. Bei der Malerei könne sie wesentlich freier agieren, die Glasmalerei hingegen erfordere sehr viel Planung und Vorausschau. Sie sieht ihre Kunst als rebellisch, weil sie mit ihren extrem überzeichneten Figuren auch Kontroversen schaffen möchte.

Allen Gästen sei für das Interesse und den Dialog über die Kunst im Rahmen des Symposiums gedankt.

v.l.n.r.: Günter Hettinger, Urs Rickenbach, Anna Polke, Laura Aberham, Mirna Funk, Undine Bandelin, Tobias Kuttner, Dr. Barbara Hess und Renato Santarossa während der Talkrunde.
Foto: DGML/Susanne Lang

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