Jochem Poensgen. Affinité/WahlverwandtHinterglasmalerei und Glasbilder
Das Deutsche Glasmalerei-Museum zeigt anlässlich des 85. Geburtstages des Künstlers Jochem Poensgen eine Ausstellung zu seinem Lebenswerk, die in Kooperation mit dem Schweizer Vitromusée in Romont entstand.
Jochem Poensgen (* 1931 in Düsseldorf) ist seit Ende der 1950er Jahre als freischaffender Künstler im Bereich der Glasherstellung tätig. Poensgen schaut auf ein umfangreiches und vielschichtiges glasmalerisches Oeuvre zurück, das zahlreiche sakrale und profane Bauten im In- und Ausland auf einzigartige Weise bereichert. Als Lehrender, u. a. in Großbritannien, Kanada, Mexiko, USA und Deutschland, begleitete er eine Vielzahl von Studenten auf ihrer künstlerischen Wegfindung.
Das Eigenleben und die Modulation des Lichtes mit Hilfe des Glases ist sein künstlerisches Hauptanliegen im Bereich der Glasmalerei. Poensgen geht sensibel auf die vorgefundene Raumsituation ein. Nur bei wenigen Künstlern ist im Ergebnis die Verbundenheit des realisierten Fensters mit der jeweiligen Architektur so klar zu spüren. Zurückhaltung statt Manifestation einer künstlerischen Handschrift zeichnen seine Arbeiten aus.
Das Frühwerk Jochem Poensgen orientiert sich an der französischen Kunst der Moderne, z. B. an Künstlern wie Fernand Léger. Die von Poensgen 1959 realisierten Engelsfenster der Stiftskirche St. Margareta in Düsseldorf-Gerresheim mit ihrer monumentalen raumgreifenden Figurendarstellungen sind beeindruckende Zeugnisse figürlicher Glasmalerei der deutschen Nachkriegsmoderne. In den 1960er Jahren offenbart sich Poensgens Anliegen der plastischen Gestaltung mit Licht in zahlreichen Betonverglasungen. Während die figürliche Darstellung in der Folgezeiten Raum verliert, treten formale Ordnungsprinzipien wie das Raster und das Ornament in den Vordergrund. Die Reduktion der Form geht einher mit der Reduktion der Farbe. Die Vorliebe zur geometrischen, kleinteiligen und seriell angeordneten Form wird zum Markenzeichen des „Minimalisten“ Jochem Poensgen. Um der Heterogenität der Räume gerecht zu werden, ist das Experiment unausweichlich. Zu den außergewöhnlichsten Ergebnissen dieser Experimentierfreudigkeit zählt zweifelsohne die Verglasung für die Klosterkirche St. Marien und Nicolai in Jerichow (2006-2009), wo Poensgen die Bleirute als verbindendes Element zwischen den Glasstücken auf winzige Metallplättchen reduziert. Lichtfugen statt Bleilinien bilden nun auf geniale Weise die Verbindung zwischen scheinbar schwebenden Gläsern.
Anhand von zahlreichen Originalen, Zweitausführungen und Musterscheiben zeichnet die Linnicher Ausstellung die Entwicklung des Glasmalers Jochem Poensgen nach und setzt sie in einen Dialog mit seinen Hinterglasmalereien, die seit 2013 in großer Zahl entstehen. Im Unterschied zur Glasmalerei, die durch das durchfallende Licht lebt – wird die Hinterglasmalerei erst durch das auffallende Licht wahrgenommen. Anders als bei der Glasmalerei, wo das Glas funktional eingesetzt wird, agiert das Glas bei der Hinterglasmalerei vor allem als Bildträger. Hinterglasbilder korrespondieren mit keinem Kontext, sie entstehen unabhängig von jeglichen zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, als auch von den Auftraggebern und ausführenden Werkstätten. Jochem Poensgen hierzu: „Meine in der Mitte der 1950er Jahre eingegangene Verbindung mit der Glasmalerei bedeutet Rücksichtnahme, Verantwortung, Disziplin – kurz: Seriosität. Die zu Anfang der 2000er Jahre entbrannte Passion für die Hinterglasmalerei erfordert dagegen nichts davon und lässt ungehemmte Abenteuerlust zu.“
Verbindendes und Trennendes der beiden Gestaltungsweisen von „Glasmalerei“ aus einer Künstlerhand gilt es zu entdecken.